Was uns fehlt

Nach einem Tag voller Entscheidungen, wir mussten festlegen, wo die Spiegel, Bilder etc. platziert werden sollen, hatten wir keine grosse Lust mehr auf kulinarische Höhenflüge. Bei Salame, Focaccia, Käse, Oliven und etwas Linsensalat von heut Mitttag sinnierten wir darüber nach, was uns hier eigentlich so fehlt. Also, das Aromat haben wir gefunden. Jetzt rümpft nicht die Nase. Ich weiss, dass so der eine oder andere Sternekoch in der Hinterhand ein Aromat bereit hält. Und wir wollen ja keine Sterne vom Kochhimmel pflücken, es soll uns einfach schmecken. "Und so es Tomätli mit Knorr ha i eifach gärn", ist Robertos Kommentar. Wobei zu vermerken ist, dass Robertos Dialekt von Schaffhausen stammt. Aber in dieser Sprache kann ich nicht schreiben. Und er dopppelt gleich nach: "D'Chiratgürkli". Aber das sind alles Nebensächlichkeiten, wenn man weiss, was ihm wirklich fehlt. Die Sportkanäle. Also, wenn sein Favorit - Juventus Turin - ein Spiel hat, dann schaltet RAI 2 aus, und meldet sich wieder nach dem Spiel. Abhilfe naht, nächste Woche sollte der Installateur kommen, der uns den Satelliten höher hängt, dann gehören wir auch wieder zur grossen, weiten Welt, und das Sky-Abo kann aktiviert werden. Eigentlich hat mir der Zugang zu den Sportkanälen überhaupt nicht gefehlt. Wieso? Sie wissen nicht, wie mein Roberto einen Juvematch mitverfolgt. Stehend, vor dem Fernseher hin und her marschierend und mit einem Vokabular, welches der italienische Übersetzer erwähnt, dieses  nach Möglichkeit nicht zu gebrauchen. Natürlich ist mein Gedanke: "Oh je, die verlieren." Ein Blick auf das Geschehen  zeigt: die führen ja. Aber selbstverständlich nicht hoch genug. Nun denn, Fussball ist halt nicht mein Ding. Deshalb erhalte ich meinen eigenen Anschluss.

Mir fehlt vom Essen her eigentlich nicht viel, aber so ein kleiner, warmer Fleischkäse . . . . .

Und sonst? Ja, die Selbstverständlichkeit, überall hingehen zu können, ohne vorher zu überlegen, was man sagen soll. Und das ist gar nicht so einfach, denn theoretisch lernt man wunderbare Ausdrücke, welche dann das Gegenüber gar nicht versteht. So gestern beim Coiffeur. Ich hatte gelernt, was stufig schneiden heisst und wollte unbedingt das Wort "scala", Treppe, vermeiden, sondern erklärte ihr, dass ich gerne "fase die taglio" hätte. Zuerst ein Zaudern, dann meinte sie fröhlich: "Ah, una scala". Nun, die Treppe - sprich der Schnitt - ist sehr gut, die Farbe genial. So langsam aber sicher kann ich mich immer besser verständigen und falle nicht in leise Panik, wenn Roberto nicht da ist, wenn mich jemand anspricht.

Morgen ist Abfuhrtag, da sind wir bis Mittag fertig und haben Zeit, um uns was Feines zusammenzubrutzeln. Voraussichtlich gibt es "Carne cruda di fassone Piemontese"  und später einen Risotto con funghi. Das "carne cruda" ist ähnlich einem Tatar, nur wird das Fleisch von Hand fein geschnitten und mit lediglich etwas Salz, Pfeffer und Oliveöl verfeinert. Parmesanraspeln oder dann natürlich fein gehobelter Trüffel machen das Ganze zu einem Gedicht.